7.9.06

Zweifel

Vorgestern hatte ich ein Erlebnis, das ich immer noch nicht richtig einordnen kann.

Montag abend rief spät ein Kunde an und wollte noch einen Hausbesuch haben. Ich hatte einen anstrengenden Tag in meinem Hauptjob hinter mir und war schlagkaputt. Deshalb sagte ich ihm, daß ich heute nicht mehr kommen würde. Wir verabredeten dann ein Date für MIttwoch.

Dienstag morgen erhielt ich von dem selben Kunden eine SMS, daß es Mittwoch nicht klappen würde, ob ich Dienstag abend kommen könne. Ich sagte zu und war zu der verabredeten Zeit bei ihm zuhause. Er öffnete, sagte jedoch, er sei gerade nach Hause gekommen und brauche noch 10 Minuten. Ob ich in 10 Minuten wiederkommen könne. Verblüfft sagte ich ja und wartete in meinem Auto. Ich überlegte, ob ich nicht gleich fahren soll, denn ich fand das Verhalten schon recht unverschämt. Er hätte mich ja zumindest reinbittenen können. Ich nahm mir vor, diese 10 Minuten in die gebuchte Stunde mit einzubeziehen (normalerweise bin ich nicht so kleinlich und überziehe oft die gebuchte Zeit ohne Aufpreis).

Nach 10 Minuten klingelte ich wieder. Nichts geschah. Mein Adrenallin schoß inzwischen in die Höhe. Ich klingelte noch mehrfach. Dann kündigte mein Handy eine SMS an. Der Kunde schrieb, er könne nicht, seine Mutter läge im Sterben. Ich schrieb zurück, daß aber dennoch Kosten fällig seien, die er zu bezahlen habe. Ich klingelte wieder, keine Reaktion. Dann rief ich ihn, inzwischen ziemlich wütend an und erklärte ihm, daß ich Fahrtkosten und -zeit investiert habe und nun schon seit 20 Minuten warten würde. Daher möchte ich ihn bitten, mich reizulassen und mir eine Aufwandentschädigung zu zahlen. Zu meiner großen Überraschung öffnete. Er erklärte, er habe gerade einen Anruf erhalten. Seine Mutter habe einen Autounfall gehabt. Seinem Vater sei nichts passiert aber seine Mutter läge im Krankenhaus und er müsse jetzt dort hin. Er wollte wissen, was ich verlange und ich nannte ihm die Hälfte meines Stundenlohns. Ich sagte ihm noch, daß es mir leid tue und ich seiner Mutter wünsche, daß sie es schafft.

Mich beschäftigt dieses Erlebnis noch heute. Einerseits war der Mann wirklich sichtlich aufgewühlt und ich schäme mich, ihm so kaltschnäuzig das Geld abverlangt zu haben. Andererseits bin ich schon oft von den Kunden unter den unmöglichsten Vorwänden veräppelt worden, daß ich nicht weiß. War er nur ein guter Schauspieler der sich nicht traute mir zu sagen, daß ich nicht sein Typ sei und hoffte, so um den vereinbarten Hurenlohn herumzukommen?

Ich bilde mir ein, nicht abgebrüht zu sein und meine Kunden nicht abzuzocken. Aber mein Verhalten gibt mir zu denken. Das Gewerbe scheint die Menschen zu verändern. Und nicht unbdingt zu ihrem Besten.

Violetta

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Hallo Violetta,

es mag sein daß Du in dieser speziellen Situation Deinem Kunden unrecht getan hast.

Aber in vielen Deiner Erzählungen wird deutlich daß Du Dich auf Deine Intuition und Menschenkenntnis doch recht gut verlassen kannst.

Ergo hast Du in dieser Situation das für Dich Richtige getan. Dein Kunde wird es Dir nachsehen, vor allem wenn er hier liest daß Du Dein Verhalten in Frage stellst.

Das finde ich gut, daß Du trotz aller Vorsicht die in diesem Gewerbe einzuhalten ist, immer noch die Menschen in Deinen Kunden erkennst.

Mach weiter so.

Liebe Grüße
Flomax

11/03/2006 4:07 PM  

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