Die Stimme am Telefon – irgendetwas zwischen reserviert, zweifelnd und unendlich zärtlich. Die Verabredung zunächst in der Hotelbar. Er würde mich erkennen, wenn nicht, hätte er ja meine Handynummer. Ich bin pünktlich. Schaue mich um. Ein einzelner Herr. Gutaussehend. Ich nicke ihm zu – kein Erkennen. Ich setze mich. Bestelle eine Orangina – eine Remeniszenz an Frankreich. Die Stühle – unbequem. Ich weiß nicht, wie ich mich am besten hinsetzen soll. Ich spüre den Herrn hinter mir. Schaue zu ihm. Keine Reaktion. Ich warte. Nichts geschieht. Ich stehe auf, gehe zu dem Herrn hinter mir. „Verzeihung, sind Sie Herr..... ?“. Erstaunt bejaht er diese Frage. Ich stelle mich vor. Hole meine Orangina. Setze mich zu ihm. Schweigen. Ich suche verzweifelt nach einem Anhaltspunkt. Mache Smalltalk. Wie es ihm geht, wie sein Tag war, woher er kommt etc. Kurze, abgehackte Antworten. Ich will ihn schon fragen, ob er das Date lieber canceln möchte, da steht er auf und sagt: gehen wir.
Ehe ich mich versehe, hat er die Bar verlassen. Die Bedienung bringt mir meine Jacke und hilft mir in selbige. Ich sehe mich um, wo er ist. Sehe ihn draußen stehen, neben einem Taxi. Die Tür bereits für mich geöffnet. Er lässt mich einsteigen, schließt die Tür von außen. Ich bin verwirrt. Erst lässt er mich in der Bar quasi stehen, dann diese Höflichkeitsgeste am Taxi. Die Fahrt ist nicht weit. Ich erzähle ihm ein wenig von meiner Stadt. Dann die Provokation: Frankfurt sei hässlich. Er möge sie nicht, fühle sich hier nicht wohl. Ich verteidige tapfer meine Stadt. Dann Ankunft. Es geht hinauf in schwindelnde Höhen. Doch zuerst muss der Eingang gefunden werden. Nach dem dritten Anlauf klappt es. Die Suche bricht das Eis. Aus dem steifen „Sie“ wird ein „Du“. Anmeldung beim Pförtner, Sicherheitskontrolle. Dann mit dem Aufzug in den 53. Stock.
Beim Betreten des Restaurants verschlägt es mir den Atem. Edel eingedeckte Tische und ein atemberaubender Blick auf die Stadt. Unser Tisch direkt am Fenster. Ich lasse ihm den Platz mit dem Blick auf die schönere Seite. Auf die Sehenswürdigkeiten. Vielleicht findet er meine Stadt ja doch noch ein wenig schön. Plötzlich liegt mir sehr viel dran. Auch er scheint beeindruckt. Gibt zu, dass der Blick auf den Fluß traumhaft ist und unsere Skyline beeindruckend78z. Ich lächle. Erzähle ihm mehr. Und plötzlich ist das Eis gebrochen. Nein, das liegt nicht an meiner Stadt. Paris ist die Siegerin. Natürlich. Was ist Frankfurt gegen die „Ville lumière“?. Er gerät ins Schwärmen und ich merke wie sich mein Herz zusammenkrampft vor Sehnsucht. Sehnsucht nach dieser Stadt, die für mich Heimat ist. Und Sehnsucht nach seiner Berührung. Manchmal mehr als meine Stadt. Er spricht und es ist, als spräche ich von dieser Stadt. Wir haben die gleichen Empfindungen, mögen die gleichen Orte. Père Lachaise mit den Gräbern der Piaf und Chopins. Sacre Coeur. Der Blilck vom Trocadéro zum Eiffel Turm. Das Grab von Heine auf dem Montmartre-Friedhof und das meines literarischen Vorbildes, der Kameliendame. Wir reden von Frankreich. Seinen Schönheiten. Und dem Lebensgefühl, das es für uns repräsentiert. Zwischendurch bestellt er den Wein. Dann sind wir wieder in „unserem Element“. Die Bedienung möchte die Bestellung aufnehmen. Wir haben noch gar nicht die Karte studiert. Verwirrend die Menüauswahl. Ich überlasse es ihm das richtige auszusuchen. Die Bestellung wird aufgegeben. Ich erzähle von meiner Reise in die Pyrenäen. Als Reiseführer Tucholsky’s Pyrenäenbuch. Ich erzähle ihm, wie sehr dieser Frankreich geliebt haben muß, auch wenn er nicht unkritisch war. Oft ironisch. Aber nie bösartig. Auch in seiner Kritik merkt man seine Liebe zu der „Grande Nation“.
Achtlos essen wir die Grüße aus der Küche, ganz vertieft in unsere Begeisterung. Dann Schweigen. Ich schaue hinunter auf meine Stadt. Auf den Fluss mit seinen Biegungen, die Brücken, die anderen Hochhäuser. Das Hotel, in das er sich eingemietet hat. Das Städel. Unser Theater. Und plötzlich merke ich, wie stolz ich auf meine Stadt bin. Auch wenn sie keine klassische Schönheit ist. Darin gleicht sie mir. Aber sie hat dennoch etwas Faszinierendes. Und ein Hauch jenes Gefühls, das ich immer habe wenn ich in Paris einfahre, streifte mich bei diesem grandiosen Ausblick. Dann führt uns das Gespräch über Berlin nach Wien, doch nicht mehr mit der gleichen Leidenschaft.
Dann ganz plötzlich wieder Schweigen. Das Gespräch lässt sich plötzlich nicht mehr in Gang bringen. Er gleitet ab in eine Welt, in dem ich ihm nicht folgen kann. Er verlangt die Rechnung. Das Personal kann nur mühsam seine Verwirrung verbergen. Im Aufzug greift er nach meinen Brüsten. Ich weiß nicht was ich davon halten soll. Er lächelt mich an. Ich lächel zurück. Wieder ein Taxi. Er berührt meine Hand. Kurze Fahrt. Ankunft im Hotel. Auch von dort ein atemberaubender Ausblick. Im Fluß spiegeln sich die Lichter. Die Skyline zu unseren Füßen. Er legt sich aufs Bett. Greift nach mir. Beweist mir seine Französischkenntnisse als hinge sein Leben davon ab. Entdeckt meine Brüste. Genießt. Und dann plötzlich – nichts. Ruhige Atemgeräusche. Abgleiten nach Nimmerland. Wir einigen uns, dass ich gehe. Ein letzter Kuss. Ich hinterlasse einen Guten-Morgen-Gruß im Bad. Verlasse irritiert und wehmütig das Hotel. Habe noch ein wenig das Bedürfnis zu laufen. Über die Brücke. Von dort, der schönste Blick auf die Skyline. Bin aufgewühlt. Verwirrt. Ich habe meine Distanz verloren. Das beunruhigt mich.
Unruhiger Schlaf. Am nächsten Tag beim Frühstück kommt der Anruf auf den ich gewartet habe. Er müsse für diesen Abend absagen. Er habe einen offiziellen Termin. Schweigen. Einen letzten Gruß. Und wieder diese Zärtlichkeit in der Stimme. Ciao bello denke ich. Und bon voyage.
Ein Tag voller Melancholie, zwischen Tag und Traum nimmt mich auf. Begleitet mich durch meine Stadt. Verscucht, meine Enttäuschung aufzufangen. Mich zu trösten. È strano.Die Melancholie verschlingt mich. Kein unangenehmes Gefühl. Ich werfe mich in ihre heilenden Arme. Dem sempre libera entgegen.
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